XIII DANGEROUS: Michael Jackson, die Schlange und "Eaten alive"

Auf dem DANGEROUS Album Cover von Michael Jackson scheint uns eine Schlange mit weit aufgerissenem Maul zu verschlingen. Die Schlange zeigt ihre Giftzähne. Im Maul der Schlange ist die Maschinerie hinter der bunten Zirkus-Fassade des Entertainments zu sehen. Das ist DANGEROUS.
Eine Schlange ist gefährlich, sie symbolisiert Falschheit und Hinterlist. Die Schlange, so lehrt uns die Bibel, ist verführerisch und weiblich und ist zu Beginn der Menschlichkeit verantwortlich für unseren Rauswurf aus dem Paradies. Auf dem DANGEROUS Album Cover des Michael Jackson von 1991 werden wir von der Schlange lebendig gefressen. Eaten alive. Jackson, der sein gesamtes Leben in der Industrie des Entertainmentbusiness verbrachte, hatte über dieses Thema schon 1985 gesungen.

Michael Jackson Schlange Dangerous Album Cover Maul Eaten alive. www.partofhistory.de

Bild: Es scheint, auf dem DANGEROUS Album Cover von Michael Jackson 1991 ist ein riesiges Maul abgebildet.

Michael Jackson Dangerous Cover 1991 Mark Ryden

Bild: Michael Jacksons DANGEROUS Album Cover von 1991, SONY Music Entertainment. Maler des Gemäldes mit dem Namen „King of Pop“ (Acryl auf Holz 82” x 74”) ist Mark Ryden. Das Original des Gemäldes ist ausgestellt in der Paul Kasmin Gallery, 293 Tenth Ave., New York, NY 10001. Quelle

Bereits 1988 wurde Michael Jackson vor unseren Augen verschlungen. Er zeigte uns diese Bilder in jenem Kurzfilm, in der er die Klatschpresse zum Thema machte. LEAVE ME ALONE. Jacksons Fahrt führte in LEAVE ME ALONE ungebremst in die Finsternis eines gigantischen, unersättlichen Mauls hinein, dessen gefräßige Kiefer wie eine Maschine im Untergrund der Hölle arbeiten. 1991 ist genau dieses alles verschlingende Maul auf DANGEROUS zurück.

Offenes Maul auf Dangerous Cover und Maul in Leave Me alone 1988. www.partofhistory.de — *l.: Das alles verschlingende Maul der Presse 1988 in LEAVE ME ALONE, Michael Jackson Quelle* *r.: Das alles verschlingende Maul 1991, DANGEROUS Album Cover, Michael Jackson. Quelle*

Die Schlange in der Karriere des Michael Jackson

DANGEROUS ist der letzte Song auf Michael Jacksons Album gleichen Namens von 1991. In DANGEROUS singt Michael Jackson von einem Girl, einem Weib, das „bad“ ist (zufällig der Name seines Vorgängeralbums von 1986) und das „dangerous“ ist (zufällig der Name des Albums, dem der Song seinen Namen gab). In DANGEROUS beginnt der Song mit einer gewaltigen Maschinerie, die zu Beginn einer neuen Jackson-Epoche an Fahrt aufnimmt und das Bild eines startenden Flugzeuges malt. Das Bild eines Flugzeugs, verwendete Michael Jackson als Symbol für seine Karriere.

Mehr zum Symbol „Flugzeug“, das Michael Jackson als Symbol für seine Karriere benutzte, in diesem Artikel:

XVI Michael Jackson aRt: Das Symbol „Flugzeug“ war seine Karriere

Im Song DANGEROUS zeichnet Michael Jackson mit der heiseren Flüsterstimme des Einzelgängers Undercover, musikalische Bilder von Nadelstreifenanzügen im schwarz-weiß der 1940er Kinojahre. Er beschwört diesen einsamen Humphrey-Bogart-Typen herauf, der seinem Publikum die Story von dieser ebenso verführerischen wie hinterlistigen Frau erzählt, der er nicht widerstehen konnte. Bringt Michael Jackson den Song DANGEROUS dann auf die Bühne, ist aber von heißer Affäre keine Spur. Was er in seiner Art ins Scheinwerferlicht holt, ist finsteres Business. Anonyme Geschäftsanzüge umkreisen ihn, den Star und King of Pop. Die Bilder erinnern an das „System“, das Jackson wiederholt kritisierte. Das „System“ oder die Industrie hinter der verführerischen Fassade des Entertainments. Ihnen allen klebt Blut an den Händen.

Michael Jackson Dangerous Performance mit Tänzern, die rote Handschuhe tragen

Bild: Anonyme Geschäftsanzüge umkreisen den Star in DANGEROUS. Ihnen allen klebt Blut an den Händen. Michael Jacksons DANGEROUS Performance auf der HIStory Welttournee, München, Olympiastadium, 1997 Quelle

Zischt eine Schlange im Song „Dangeroussss …“ von Michael Jackson?

Es scheint, als ob eine Schlange zischt in Michael Jacksons Song DANGEROUS und es hört sich an, als produzierten gleich mehre Tonspuren seiner Stimme diesen Effekt. Ist man sich des Zischens im Lied einmal bewusst, scheint man aus sämtlichen Lautsprechern davon umzingelt.

„Dangeroussssss…“
Michael Jackson 1991 in DANGEROUS.

Nicht enden wollende Wiederholungen haben einen fast hypnotischen Effekt. Und plötzlich fühlt man sich von derselben zischelnden Falschheit umgeben wie Jackson. Vielleicht überinterpretiert. Vielleicht ist es so gemeint.

Michael Jackson eröffnet mit dem Zischen der Schlange DIRTY DIANA 1987

Mit dem Zischen einer Schlange stellte Michael Jackson 1987 dem Publikum DIRTY DIANA vor. in DIRTY DIANA macht Jackson erneut das Thema der Verführung zu „Fortune and Fame“, zu angeblichem Glück und Ruhm. DIRTY DIANA erzählt auch von Betrug, von Verrat, Falschheit und Hinterlist. Ort des Geschehens von Jacksons Erzählung ist das Showbusiness. Das Zischen der Schlange ist das erste Geräusch im Lied. ¹

Lässt Michael Jackson sich von der Schlange 1997 in MORPHINE verführen? „Trusssst in me …“

„Trusssst in me. Trusssst in me. Put all you’re trust in me …“
Michael Jackson in MORPHINE, 1997. ²

Vertraue mir. Setze all dein Vertrauen in mich. Jackson säuselt diese Zeilen 1997 verführerisch im Song MORPHINE. MORPHINE ist Jacksons Raserei über Vertrauen, Verrat. Und Abhängigkeit. Sein Zorn über seine Sucht. Seine Wut über unsere Sucht.
1993 startete eine weltweite Hexenjagd auf Michael Jackson, die in seiner Beziehung zu einer Frau und ihren zwei Kindern begonnen hatte, von ihrem eifersüchtigen Ex-Ehemann sorgfältig inszeniert wurde und in horrenden Geldforderungen gipfelte. Die Anschuldigungen endeten nur in den Medien als Kindesmissbrauch, in Gerichtssälen aber hatten sie nie Bestand. Michael Jackson erklärte in dieser Zeit öffentlich seine Abhängigkeit von Schmerzmedikamenten und beendete im November 1993 vorzeitig seine DANGEROUS-Welttournee. Zur Interpretation: SEINE Abhängigkeit ist gleichzusetzen mit UNSERER Sucht nach Klatsch und Tratsch in der Michael-Jackson-Geschichte, die im Jahr 1993 ihren Höhepunkt erreichte. Seine Sucht nach Schmerzmedikamenten, die ihm eine Flucht vor den Anschuldigungen der Medien boten und UNSERE Sucht nach den Medienberichten über Jackson, scheinen in seinem Lied MORPHINE Thema zu sein. Die Karriere des Entertainers Michael Jackson ist jedenfalls Ende 1993 mehr als angeschlagen. Von dem Mann dahinter ganz zu schweigen. Obwohl er wieder aufsteht.

Unsere Sucht nach den Schlagzeilen der Klatschpresse. Eine Sucht, die wir befriedigen wollen. Michael Jackson sang über unsere Sucht nach den Schlagzeilen in dem Lied TABLOID JUNKIE aus dem Jahr 1995:

7) Michael Jackson, Tabloid Junkie: Wenn die Wahrheit keine Rolle spielt

„Trussssst in me, jussssst in me. Sssshut your eyes and trussssssssst in me“: Die Schlange Ka aus Disneys Dschungelbuch in MORPHINE von Michael Jackson?

Vertraue mir. Schließ‘ deine Augen und vertrau mir, säuselt mit einer verblüffend ähnlich klingenden Melodie wie jene in Michael Jacksons MORPHINE ³, die Schlange Kaa aus Disneys „Dschungelbuch“ dem Jungen Mowgli in die Ohren. (Das Zischen der Schlange Kaa ist dabei ebenso unüberhörbar, wie das Zischen in DANGEROUsssss.) Die Melodie, mit der das hinterlistige Geschöpf den Jungen verführt, ist der musikalischen „Brücke“ in MORPHINE mehr als nur verblüffend ähnlich. ⁴ Buchstäblich handelt Michael Jacksons MORPHINE von der Sucht nach diesen Stoffen, die dich in eine andere Welt versetzen und dir die Schmerzen nehmen. Symbolisch gesehen handelt Michael Jacksons MORPHINE vielleicht auch von der Abhängigkeit des Stars von den Medien und unserer Sucht nach den Tabloids. Der Name „Tabloids“ übrigens hat seinen Ursprung in dem Wort „Tabletten“.

„Trussssst in me, jussssst in me. Sssshut your eyes and trussssssssst in me“
Die Schlange Ka, die den Jungen Mowgli in Disneys Zeichentrickverfilmung (1962) von Rudyard Kiplings Originalgeschichte (1894) verführt und hypnotisiert.

„Trusssst in me. Trusssst in me. Put all you’re trust in me …“
Michael Jackson in MORPHINE, 1997. ⁵

Das Dschungel Buch mit dem hypnotisierten Mowgli.

Bild: „Vertraue mir …“ Die Schlange Kaa verführt Mowgli in Disneys Dschungelbuch. Quelle Und auch Michael Jacksons Rat im Jahr 2000 lautete: „Traue nicht jedem in der Industrie!“

Die Schlange, trainiert von Michael Jackson um „Interviewer zu fressen“

Michael Jackson besaß im wirklichen Leben eine drei Meter lange Boa Konstriktor. Er hielt sie sich als Haustier. 1983 rollte er die Schlange in einem Interview vor einem Journalisten aus:

„Das ist Muscles. Ich habe ihn trainiert, Interviewer zu fressen.“
Michael Jackson in einem Interview 1983. ⁶

Michael Jackson führte uns diese Schlange, die er „trainiert hatte, Interviewer zu fressen“ in LEAVE ME ALONE vor, seinem Film, mit dem er die Klatschpresse anklagte. Quelle

Die Schlange des Michael Jackson in Leave me Alone.

Bild: Michael Jackson und seine Schlange „Muscles“, die er „trainiert hatte, Interviewer zu fressen“ in LEAVE ME ALONE vor, seinem Film, mit dem er die Klatschpresse anklagte. Quelle

Michael Jackson als Buffet, an dem sich die Medien bedienen oder „Eaten Alive“

1978: „The life you’re leading is dangerous“

„Das Leben, das du führst, ist gefährlich.“
Michael Jackson und The Jacksons 1978 in BLESS HIS SOUL. ⁷

Als Michael Jackson diese prophetischen Zeilen sang, lebte der Zwanzigjährige bereits fünfzehn Jahre im Showgeschäft. BLESS HIS SOUL. Schütze seine Seele heißt der ironische Titel.

1983. „You’re just a buffet“

1983 erklärte Jackson „Michael Jackson“ in dem Song WANNA BE STARTIN‘ SOMETHING zum Buffet, an dem das „System“ inklusive der Klatschpresse sich bedient. Was bis heute Gültigkeit hat.

„Du bist nur ein Buffet. Du bist ein Gemüse. Sie essen von (mir) dir.“
Michael Jackson in WANNA BE STARTIN‘ SOMETHING, 1982. ⁸

1988 visualisierte Michael Jackson die Zeilen aus WANNA BE STARTIN‘ SOMETHING, mit denen er feststellt, dass sich jeder – und vor allem die Tabloid Presse – an ihm wie an einem Buffet bedient, in LEAVE ME ALONE.

Leave Me Alone Jackson Ausschnitt des Buffets aus Zeitung, Gemüse, Früchten.

picture: 1988 visualisierte Michael Jackson die Zeilen aus WANNA BE STARTIN‘ SOMETHING und zeigte sich als „Buffet“, als eine „Gemüse“. Sie essen von dir.“ LEAVE ME ALONE.

1985. „I don’t wanna get eaten alive“

„I don’t wanna get eaten alive ‚cause it’s so dangerous. No more hearts I can trust“
Michael Jackson in EATEN ALIVE, 1985. Lebendig gefressen. ⁹

Nach 22 Jahren Showbusiness fürchtete Michael Jackson, an der Spitze seines Erfolges, bei lebendigem Leibe gefressen zu werden. Er schrieb diesen Song und sang ihn gemeinsam mit Diana Ross 1985.

1988. „Just leave me alone …“

1988 dann wurde Michael Jackson in LEAVE ME ALONE vor unser aller Augen verschlungen. In diesem Film, in dem er die Schlagzeilen der Tabloids zum Thema machte. Das an eine falsche Schlange erinnernde gefräßige Maul einer dunklen Industrie ist auf DANGEROUS 1991 zurück. Den Platz der Journalisten, die Michael Jackson als Hunde darstellte, sind jeweils links und rechts neben dem scheinbar unaufhörlich redenden Mund platziert. Die Anordnung der Figuren (Mund in der Mitte, links und rechts zwei Gestalten) erinnern an Altarbilder, die man in Kirchen aufstellte. Welche Bedeutung aber hat die Symbolik eines Altarbildes in LEAVE ME ALONE, in diesem Film, in dem Michael Jackson die Klatschpresse verurteilt?

„Nur weil es gedruckt wird, ist es nicht gleich das Evangelium.“
Michael Jackson 2003. ¹⁰

1991 auf DANGEROUS ist die Anordnung der Hauptfiguren wieder einem Altarbild nachempfunden und dieses Mal sind es wir, sein Publikum und die Öffentlichkeit, denen hier gedroht wird, verschlungen zu werden. Verschlungen zu werden von der Industrie hinter den Tabloids, hinter den Medien. Jacksons negative Darstellung der Klatschpresse und ihrer Journalisten tragen eindeutig prophetische Züge.

Michael Jackson Schlage mit offenem Maul auf Dangerous Cover und Maul in Leave Me alone 1988. www.partofhistory.de — *l.: 1988, LEAVE ME ALONE Quelle r.: 1991, DANGEROUS Quelle*

Michael Jackson oder die alles verschlingende Industrie in den Jahren 1927, 1936 und 1991

Michael Jackson nahm sich Sir Charles Chaplin in vielen Dingen zum Vorbild und Chaplin wurde von der Industrie der „Modernen Zeiten“ schon 1936 auf dieselbe unersättliche Art und Weise verschlugen. Chaplin hatte sich für diese Bilder, wie viele andere Künstler inkl. Michael Jackson, an dem Film „Metropolis“ von 1927 orientiert. Nur wenige Jahre später ging Chaplin in dieser Industrie unter, die für ihn selbst die Industrie des Entertainments bedeutete.